Schadensersatzpflicht bei nicht richtiger und unvollständiger Aufklärung über die Rentabilität

igenda FACHMAGAZIN
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Wie umfangreich muss ein Franchise-Geber vorvertraglich über die Rentabilität aufklären? Prof. Dr. Flohr analysiert für forSYSTEMS den aktuellen Stand. Dabei wird durch aktuelle Urteile klar, insbesondere Gründer erhalten vor Gericht einen großen Schutz. Das kann gerade für kleinere Franchise-Systeme zur Falle werden, wenn Schadensersatz­klagen auf sie zukommen.

Geprägt wurde die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträge lange Zeit durch die Rechtsprechung des OLG München, beginnend mit dem Urteil vom 16. September 1993 (NJW 1994, 667). Dieser Entscheidung stellte das OLG München zwei Leitsätze voran:

  1. Der Franchise-Geber muss den Franchise-Nehmer richtig und vollständig über die Rentabilität des Systems unterrichten.
  2. Der Franchise-Geber, der wegen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht schadensersatzpflichtig ist, kann dem Franchise-Nehmer nicht als Mitverschulden entgegenhalten, dass er leichtfertig den Anpreisungen des Franchise-Gebers vertraut hat.

Diese Rechtsprechung fand dann Bestätigung durch die weiteren Entscheidungen des OLG München vom 17. November 1996 (NJW-RR 1997, 812) sowie vom 24. April 2001 (BB 2001, 1751 – AUFINA) sowie das Urteil vom 01. August 2002 (BB 2003, 443 – Personal Total). Dabei war diese Rechtsprechung nicht Ausdruck eines „absoluten“ Franchise-Nehmer-Schutzes, sondern ging von der Überlegung aus, einen Franchise-Nehmer bei Abschluss der Vertragsverhandlungen so zu stellen, dass dieser aufgrund der vorvertraglich erteilten Informationen in der Lage ist, die mit dem Abschluss eines Franchise-Vertrages verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken einzuschätzen.

Dann deutete sich eine Tendenzwende in der Rechtsprechung an. Der Schutz der geschäftlichen Unerfahrenheit sollte nicht mehr so weit gehen, dass der Franchise-Geber die Funktion eines Existenzgründungs- oder Unternehmensberater des Franchise-Nehmers übernahm (so OLG Schleswig NJW-RR 2009, 65). Diesen Überlegungen schlossen sich das OLG Brandenburg (NJW-RR 2006, 51), das OLG Düsseldorf (Urteil vom 30. Juni 2004, U Kart. 40/02 n.v.) und zuletzt das OLG Lüneburg (Urteil vom 21. August 2006 – 4 U 193/06 n.v.) an. Danach stand fest, dass sich die Auskunftspflicht des Franchise-Gebers in der Regel darauf beschränkt, den Franchise-Nehmer über das Franchise-Konzept zu unterrichten und ihm Datenmaterial zur Verfügung zu stellen, mit dessen Hilfe dieser sich einen Überblick über sein Kapital- und Arbeitseinsatz sowie die Rentabilität des beabsichtigten Franchise-Outlets verschaffen kann (zum Ganzen FLOHR, Franchise-Vertrag, 4. Aufl., München 2010, S. 39 ff.; FLOHR, in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, München 2014, §§ 241, 305 BGB, insb. Rn. 15 ff., Rn. 19 ff.).

Urteil sorgt für Unsicherheit bei Franchise-Gebern

Diese, die unternehmerische Selbständigkeit des Franchise-Nehmers im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung betonende Rechtsprechung ändert sich aber gerade wieder. Zunehmend steht wieder der Franchise-Nehmer-Schutz im Vordergrund. Ausgangspunkt für diese Diskussion ist das Urteil des OLG Hamm vom 22. Dezember 2011 (ZVertriebsR 2012, 177). Im zweiten und dritten Leitsatz dieser Entscheidung heißt es:

  • Das zur Aufklärung über erzielbare Umsätze verwendete Datenmaterial muss auf einer sorgfältigen Untersuchung des Marktes beruhen, auf den konkreten Standort ausgerichtet sein und darf nicht lediglich den Charakter einer Schätzung aufweisen.
  • Einer Rentabilitätsvorausschau und den darin angegebenen Umsatzzahlen muss ein reelles Bezugssystem in der Form zugrundeliegen, dass die Modellrechnung auf nachvollziehbaren und einem Vergleich mit dem konkret vorgesehenen Standort zugänglichen Faktoren anderer Standorte basiert.

Noch grundsätzlicher äußerte sich dann das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 25. Oktober 2013 (ZVertriebsR 2014, 46). Zwar betont das OLG Düsseldorf unter Anknüpfung an die Entscheidung des OLG Schleswig erneut, dass der Franchise-Geber nicht Existenzgründungsberater des Franchise-Nehmers ist, verpflichtet den Franchise-Geber dann aber zu einer umfassenden auf tatsächliche Feststellungen zurückgehenden Rentabilitätsanalyse für das in Aussicht genommene Franchise-Outlet. Insofern heißt es im zweiten – vierten Leitsatz der Entscheidung:

  • Der Franchise-Geber ist nicht Existenzgründungsberater eines Franchise-Nehmers. Insofern dürfen die Anforderungen an die vorvertragliche Aufklärung des Franchise-Gebers aber auch nicht überdehnt werden.
  • Allerdings sind Franchise-Geber zukünftig wieder verpflichtet, Franchise-Nehmer über die Rentabilität des Franchise-Systems, und zwar die Rentabilität des Franchise-Systems im Allgemeinen aber auch des geplanten Franchise-Outlets vor Ort zu unterrichten. Dabei darf die Rentabilitätsberechnung nicht den Charakter einer Schätzung aufweisen, sondern muss auf einer sorgfältigen Untersuchung des Marktes bezogen auf den konkreten Standort beruhen, wobei, wenn im Rahmen der Rentabilitätsvorausschau Umsatzzahlen mitgeteilt werden, die Modellrechnung auf nachvollziehbaren und einem Vergleich mit anderen vergleichbaren Standorten des Franchise-Systems standhalten muss.
  • Wird durch den Franchise-Nehmer in der gerichtlichen Auseinandersetzung substantiiert dargestellt, dass der Abschluss des Franchise-Vertrages auf unzureichende bzw. irreführende Informationen des Franchise-Gebers zurückgeht und der insoweit weder richtig noch vollständig über das Franchise-System und dessen Rentabilität unterrichtet worden ist, kommt es zu einer Beweislastumkehr. Dann trifft den Franchise-Geber die Verpflichtung, die Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit seiner vorvertraglichen wörtlichen Angaben und seines vorvertraglichen Zahlenwerkes substantiiert darzustellen.

Aktuelles Urteil bestätigt: Franchise-Systeme müssen ihre Rentabilitätsvorschau mit Sorgfalt erstellen.

An diese Tendenz knüpft nun die Entscheidung das LG Hamburg mit seinem Urteil vom 17. Januar 2014 (332 O 49/12 n.v.) an.

Das Landgericht Hamburg stellt in Übereinstimmung mit den Entscheidungen des OLG Hamm und OLG Düsseldorf fest, dass eine Umsatzprognose auf zutreffenden Daten und nicht auf Schätzungen beruhen darf. So liegt nach Auffassung des LG Hamburg eine Pflichtverletzung des Franchise-Gebers dann vor, wenn dessen Prognosen im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem potentiellen Franchise-Nehmer auf keine nachvollziehbaren, realistischen Zahlen basieren. Insofern können grundsätzlich nur Daten verwendet werden, die auf einer sorgfältigen Untersuchung des Marktes beruhen und nicht den Charakter einer Schätzung ausweisen. Allerdings stellt das LG Hamburg zugleich auch klar, dass dann der Charakter von Schätzungen für eine Umsatzprognose möglicherweise ausreichend ist, wenn der potentielle Franchise-Nehmer ausdrücklich und damit auch ungefragt darauf im Rahmen der Vertragsverhandlungen aufmerksam gemacht wird.

Das Urteil des LG Hamburg unterstreicht erneut, dass Franchise-Geber im Rahmen von Umsatzprognosen und Rentabilitätsberechnungen, die einem potentiellen Franchise-Nehmer zur Ver­fügung gestellt werden, nicht auf gegriffenes Zahlenmaterial zurückgreifen darf, sondern nur solche Daten der vorvertraglichen Aufklärung zugrundeliegen dürfen, die auf einer sorgfältigen Analyse des jeweiligen Standortes des Franchise-Nehmers beruhen. Sollte dies nicht sicher­gestellt sein, so ist jeder Franchise-Geber verpflichtet, den Franchise-Nehmer – auch ungefragt – auf diesen Umstand hinzuweisen. Nur dann wird für den Franchise-Nehmer im Rahmen der Vertragsverhandlungen auch deutlich, dass die ihm vermittelte Rentabilitätsberechnung bzw. Umsatzprognose nicht auf tatsächlichen Zahlen und Erhebungen an dem Standort seines zukünftigen Franchise-Outlets zurückgeht, sondern auf Schätzungen des Franchise-Nehmers.

Auch die Entscheidung des LG Hamburg ändert aber nichts daran, dass der Umfang der vorvertraglichen Aufklärungspflichten, der gegenüber einem Franchise-Nehmer-Interessenten geboten ist, auch dessen Informationsstand und Wissen berücksichtigen muss. Ist der Franchise-Nehmer Existenzgründer, so bedarf dieser eines umfassenden Schutzes. Dies sind auch die Fälle, auf die die Entscheidungen des OLG Hamm und des OLD Düsseldorf aber auch des LG Hamburg abstellen. Ist der Franchise-Nehmer aber geschäftlich erfahren und ist der Abschluss des Franchise-Vertrages ein unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft, so wird man verlangen, dass dieser auch zu eigenen Feststellungen und Überprüfungen der Franchise-Geber-Angaben in der Lage ist. Dies gilt erst Recht, wenn der Franchise-Nehmer schon ein oder mehrere Outlets des Franchise-Systems betreibt und einen weiteren Franchise-Vertrag abschließt oder ein bestehendes Outlet eines anderen Franchise-Nehmers oder eine Eigenfiliale des Franchise-Gebers übernimmt.

Der Umfang der vorvertraglichen Aufklärung und der Schutz des Franchise-Nehmers hängen daher nachwievor vom Wissen des Franchise-Nehmers um das Franchise-System ab. Nur bei gänzlich unerfahrenen Franchise-Nehmern (insbesondere Existenzgründern) bedarf es einer umfassenden vorvertraglichen Aufklärung zur Beseitigung der immer wieder beim Abschuss von Franchise-Verträgen gerügten Informationsasymmetrie zu Lasten des Franchise-Nehmers.