Earnest & Algernon: Wirtschaftsästhetik

igenda FACHMAGAZIN
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03.05.2017

Algernon: Guten Morgen Earnest. Wie hast Du geschlafen?

Earnest: Lieber, lieber Algernon schlafen gehört schon länger zu den beunruhigsten Tätigkeiten, die ich mir vorstellen kann. Daher ziehe ich es vor, wenig zu schlafen. Darüberhinaus gibt es viele berühmte Menschen, die vor allen Dingen viel schafften, weil sie eben auch wenig schliefen. Und sicher war das nicht der Grund deines Anrufes, mit mir über den Schlaf zu sprechen ...

Algernon: Well, aber auch ein interessantes Thema, da doch zumindest Charlie Chaplin einen inspierierenden Schlaf gehabt haben muss. In den frühen Morgenstunden ließ er ein Tonbandgerät laufen, da er seine Filmmusiken im Schlaf summte.

Earnest: Und jetzt, Algernon. Was ist der Grund Deines frühen Anrufs?

Algernon: Lieber Earnest, ich bin stolz auf mich. Da ich Professor werde ...

Earnest: ... na ja, wenn es Dir zum Adel nicht reicht ...

Algernon: ... mach Dich nur lustig und ich lege sofort auf ...

Earnest: ... nein, nein. Ich bin sehr interessiert daran zu erfahren, wer Dich und für was zum Professor berufen hat ...

Algernon: ... na ja, das wer und wo macht mir noch ein kleinwenig zu schaffen, da es mit einem Umzug aus London verbunden sein wird und mich quasi über eine Landesgrenze bringt ...

Earnest: ... jetzt wird es immer interessanter ...

Algernon: ... ja, es bringt mich nach Wales (schweigt)

Earnest: (schweigt auch)

Algernon: Bist Du noch am Apparat?

Earnest: Ja, wie wunderbar! Ich bin gerade ins Schwärmen geraten, da doch einer meiner ganz großen Lieblinge des Filmes dort geboren wurde und jetzt muss es nur noch in der Nähe sein und ich komme Dich sofort besuchen. Also, wo?

Algernon: Aberystwyth. An der School of Management und Business. Aber wer zum Teufel ist berühmt und dort geboren?

Earnest: Das ist großartig. Ich werde Dich besuchen. Und geboren ist dort Peter Greenaway. Er erblickte im Jahre 1942, und tatsächlich sogar im April, am 05.04.1942 das Licht der Welt in der Stadt Newport. Denk nur an die großartigen Filme wie „Der Kontrakt des Zeichners“, „Drowning by Numbers“ und „Der Koch, der Dieb, seine Frau und Ihr Liebhaber“. Die Filme sind aesthetisch wahre Wunderwerke. Liebe Algernon, ich gerate ins Schwärmen und freue mich so für Dich. Nun erzähl’.

Algernon: Du bietest mir ja direkt mein Stichwort: Aesthetisch. Ich bekomme eine Professur für Wirtschatfsästhetik.

Earnest: Und, was darf ich mir darunter nun vorstellen?

Algernon: Na ja, zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger, als die Wirtschaft aus der Perspektive der Ästhetik zu betrachten ...

Earnest: Ich darf mir also nun vorstellen, dass Du die sogenannte Wirtschaft mit der Lehre von der erleb- und wahrnehmbaren Schönheit betrachten wirst. Ich kann es kaum glauben und es könnte doch noch dazu führen, dass die sogenannte Wirtschaft unsere Welt schöner macht!

Algernon: Nun ja, zunächst hat die Wirtschaft ja schon viel Gutes und Schönes hervorgebracht. Es stellt sich auch nicht mehr die Frage, ob die Ästhetik an sich in der Wirtschaft einen Beitrag leistet. Das ist von der Architektur bis hin zum Maschinenbau ja schon erfolgt. Es geht viel mehr darum, ob die Erkenntnisse – vor allen Dingen aus den Künsten und Kulturwissenschaften – der heutigen Organisationslehre und dem Management hilfreiche Impulse in Zeiten disruptiver Geschäftsmodelle liefern können.

Earnest: Oh ha. Du übst schon Deine neue Rolle ...

Algernon: ... Mach Du Dich nur lustig ...

Earnest: ... Tue ich nicht. Verzeih. Ich finde das sehr interessant und Du weißt doch, dass ich mir ein Leben ohne Poesie und Schönheit gar nicht vorstellen kann. Und warum nun diese Wissenschaft?

Algernon: Zunächst ermöglicht diese Perspektive, Unternehmen als ästhetische Räume wahrzunehmen in denen das speziell Menschliche Erfahrungen gestaltet und macht. Und dann sind für mich heute alle Organisationsmitglieder und nicht nur die Führungsverantwortlichen – wenngleich diese aktuell noch in besonderer Weise – gefragt mit der Zukunft und der Gegenwart besonders aufmerksam, gestaltend und kreativ umzugehen. In immer schnellerer Zeit müssen immer mehr Dinge gelernt und gekonnt werden ...

Earnest: Ja, das stimmt. Nicht nur mehr und schneller ist mein Eindruck. Ich habe den Eindruck, dass ich auch völlig Neues lernen muss.

Algernon: Ja, das stimmt natürlich auch. Wir können mittlerweile ganz anders denken. Wir können die Welt als rasantes Spiel verstehen in dem wir wie beim Improvisationstheater einen Impuls wahrnehmen und auf ihn reagieren. Und in dem ich dies sage, sind wir schon wieder in dem Feld der Wirtschaftsästhetik. Wir können uns zum Beispiel fragen, ob uns das Improvisationstheater oder der Jazz helfen, besser in Kategorien wie „exponential thinking“ zu denken und zu handeln. Das ist in einer Welt wie der unseren von Vorteil. Ist es vielleicht sogar ein Organisationsansatz, dass sich Unternehmen aufstellen und organisieren, wie Improvisationstheater gespielt wird ...

Earnest: ... Ich bemerke, Dir liegen diese Themen am Herzen und ich ...

Algernon: ... Ja, das liegt mir sehr am Herzen. Stell Dir vor lieber Earnest, dass Du die Fähigkeiten, die Du in der Wirtschaft brauchst, besser in den Künsten, dem Theater und der Musik lernen kannst ...

Earnest: ... gar nicht auszudenken. Ich würde am Ende noch meinen Landsitz verlassen und Unternehmen gründen ...

Algernon: ... Genau, damit werde ich mich jetzt befassen. Wie lassen sich Unternehmen gründen und organisieren, wenn wir das aus einer ästhetischen Erfahrung heraus tun? Und, Earnest, denke an die „bottega“ der Renaissance; in Ihr organisierten sich Künstler, um nützliche und schöne Dinge zu fertigen.

Earnest: Lieber Algernon, ich will mir gerne eine erneute Renaissance vorstellen, die dazu führt, dass unsere sogenannte Wirtschaft wieder nur nützliche und schöne Dinge herstellt. Dir einen schönen Tag. Ich gehe jetzt in die Natur.

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