Franchise | Studienkreis-Umfrage: Eltern befürchten schlechtere Zeugnisnoten durch Corona

In jedem dritten Haushalt beobachten Eltern, dass ihre Kinder nach den flächendeckenden Corona-
Schulschließungen 2020 noch immer verstärkt unter Druck stehen. 30 Prozent rechnen zudem mit einem schlechteren Halbjahreszeugnis – selbst wenn die Schulen bis zur Zeugnisausgabe offen geblieben wären. Das zeigt eine Elternumfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des Studienkreises.

Durchschnittlich 17 Wochen lang waren die Schulen in Deutschland zwischen März und Juli 2020 geschlossen, seit Mitte Dezember findet der Unterricht erneut online statt. Wie gut es zwischen den Schließungen gelungen ist, versäumten Stoff nachzuholen, zeigen ab Ende Januar die Halbjahreszeugnisse.

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Erhöhter Druck auf Jugendlichen

Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage unter 1.003 Vätern und Müttern schulpflichtiger Kinder rechnen 30 Prozent der Eltern mit negativen Auswirkungen der Schulschließungen auf das Zeugnis. Aus Sorge um den Lernstand ihrer Kinder haben 24 Prozent häufiger Kontakt zu Lehrkräften gesucht als in anderen Jahren.
 
34 Prozent der Eltern sind zudem überzeugt, dass ihr Kind infolge der Schulschließungen unter höherem Druck steht als normalerweise. In den älteren Jahrgangsstufen zeigt sich dies noch deutlicher als bei jüngeren Kindern: 41 Prozent der Eltern mit Kindern in den Klassen 11 bis 13 sowie 37 Prozent der Mütter und Väter von Kindern in Klasse 5 bis 10 beobachten, dass erhöhter Druck auf den Jugendlichen lastet. Unter Eltern von Grundschulkindern teilen nur 29 Prozent diesen Eindruck.

Gefahr der Abwärtsspirale

 „Jahrgänge, die kurz vor dem Schulabschluss stehen, sind während der Homeschooling-Phase besonders ins Hintertreffen geraten. Die Lerninhalte sind in dieser Phase so umfassend und komplex, dass jede Woche im Schuljahr zählt – und die Zeit, um versäumten Stoff aufzuholen, ist für die Schülerinnen und Schüler begrenzt“, erklärt Max Kade, Pädagogischer Leiter des Studienkreises.

Erschwerend komme hinzu, dass sich Druck negativ auf die Lernerfolge auswirken könne. „Im schlimmsten Fall kann die Homeschooling-Phase eine Abwärtsspirale aus Leistungsdruck und Versagensängsten ausgelöst haben, aus der die Jugendlichen nur sehr langsam wieder herausfinden“, so Kade.

Längerfristige Folgen befürchtet

Die Mehrheit der Eltern, die aufgrund des Lockdowns von März bis Juli 2020 schlechtere Halbjahreszeugnisse befürchten, erwartet sogar, dass die Folgen noch zum Ende des Schuljahres erkennbar sein werden: 56 Prozent von ihnen sehen mit sehr großer Sorge (36 Prozent) oder großer Sorge (20 Prozent) auf die Zeugnisse im Sommer.

Bei Eltern, die potenziell sozial oder wirtschaftlich stärker unter Druck stehen, sind die Sorgen etwas größer als bei besser abgesicherten Familien. So gaben etwa 38 Prozent der nicht Erwerbstätigen an, dass sie mit negativen Auswirkungen der Corona-Schulschließungen auf die Halbjahreszeugnisse rechneten, aber nur 29 Prozent der Erwerbstätigen. Die Frage, ob ihr Kind schulisch infolge der Corona-Schulschließungen aktuell stärker unter Druck stehe, bejahten 33 Prozent der erwerbstätigen sowie 39 Prozent der nicht erwerbstätigen Eltern.

Rückschlag in der Bildungsgerechtigkeit

Eine ähnliche Tendenz zeigt sich beim Grad der formalen Bildung der befragten Eltern. 31 Prozent der Eltern mit Abitur oder Hochschulabschluss sehen ihre Kinder aktuell stärker unter Druck, 27 Prozent rechnen mit coronabedingt schlechteren Halbjahreszeugnissen. Unter den Eltern mit Haupt- oder mittlerem Abschluss beobachten 39 Prozent erhöhtem Druck bei ihrem Kind, 37 Prozent rechnen mit negativen Auswirkungen auf die Halbjahresnoten.

„Die langen Schulschließungen haben Deutschland bei der Bildungsgerechtigkeit enorm zurückgeworfen“, sagt Max Kade. „Mehr denn je hing es in diesen Monaten von der verfügbaren Zeit und den Fachkenntnissen der Eltern ab, ob die Kinder und Jugendlichen im Homeschooling den Anschluss halten konnten.“

Seelische Belastungen  

„Hilflosigkeit, Überforderung, Ängste“ – so fasst Dagmar Dietrich, alleinerziehende Bauingenieurin aus Bergisch-Gladbach, die Stimmung zu Hause während des Lockdowns zusammen. Ihre Tochter besuchte damals die fünfte Klasse, hatte gerade neue Freundschaften aufgebaut, als plötzlich die sozialen Kontakte zu Mitschülerinnen und Lehrkräften wegfielen. Die Belastung veränderte ihre Tochter zunehmend.

„Vor den Sommerferien hatte sie aufgehört zu lachen und war nur noch darauf fixiert, ihre Aufgaben zu schaffen.“ Aber das gelang nicht mehr. „Einmal saß sie abends weinend im Bett und versuchte verzweifelt, Vokabeln zu lernen. Aber sie konnte die Wörter einfach nicht behalten“, berichtet Dietrich. Auch im neuen Schuljahr wurde es nicht besser. „Vorher war sie eine sehr gute Schülerin, aber nun wurden Vierer und Fünfer immer häufiger“, sagt Dietrich.

Eine psychologische Untersuchung bescheinigte ihrer Tochter schließlich Konzentrationsstörungen und erst mit Ergotherapie und gezielter Unterstützung durch Nachhilfe hat sie den Weg zurück zum Lernen gefunden.

Kinder ziehen sich zurück

Dass ihre Tochter kein Einzelfall ist, weiß Dietrich durch ihr Engagement als Elternvertreterin: „Viele Kinder haben sich zurückgezogen, nicht mehr gelernt, kaum noch gesprochen.“ Dass die Schulschließungen noch Monate später nachwirken, steht für Dietrich außer Frage: „Die Erfahrung hat sich bei vielen Kindern tief eingebrannt – bei einigen spiegelt sich das bis heute in den Noten und auch im Verhalten wider.“