Mehrwertsteuersätze in der Systemgastronomie

igenda FACHMAGAZIN
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Außer-Haus- und Sofort-Verzehr unterliegen verschiedenen Umsatzsteuersätzen. Aber das sind nicht die einzigen Kriterien.

Beim Außer-Haus-Verzehr und beim Sofort-Verzehr wird unterschieden zwischen ermäßigt be-ziehungsweise begünstigt besteuerten Speisenlieferungen (7 Prozent) und dem Regelsteuersatz (19 Prozent) unterliegenden sonstigen Leistungen. Der Sofort-Verzehr stellt aber nicht immer eine sonstige Leistung dar und kann daher unter bestimmten Voraussetzungen auch mit sieben Prozent besteuert werden.
Schon diese erste Betrachtung zeigt auf: Nur der Steuerexperte blickt da durch! Benjamin Förster, Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft ETL | C. Förster & Kollegen in Hannover, hat für forSYSTEMS die komplexe Thematik aufbereitet.

Zwei Steuersätze?

Die Verwaltung unterteilt den jeweiligen Verzehr „vor Ort“ grundsätzlich in zwei Bereiche – die Abgabe der Speisen und die unterstützenden Dienstleistungen. Die unterstützenden Dienstleistungen beinhalten vorwiegend das Servieren der Speisen und die leihweise Überlassung von Besteck und Geschirr sowie die Bereitstellung von Tischen, Stühlen oder Bänken. Überwiegt beim Verzehr „vor Ort“ der Dienstleistungscharakter, erfolgt die Besteuerung zu 19 Prozent. Soll eine mit sieben Prozent ermäßigte Umsatzbesteuerung auch bei Sofort-Verzehr erreicht werden, muss also die Voraussetzung geschaffen werden, dass der Dienstleistungsanteil insgesamt hinter die Speisenlieferung zurücktritt. Grundsätzlich müssen stets im Einzelfall die Gesamtumstände gewürdigt werden, um zu beurteilen, ob der Dienstleistungscharakter überwiegt oder nicht. Aber schon durch das Bereithalten von Tischen und Stühlen oder Bänken zum Vor-Ort-Verzehr im Sitzen überwiegt der Dienstleistungsanteil. Grundlage ist die aktuelle BFH-Rechtsprechung, durch die mit Urteil vom 30. Juni 2011 klargestellt wurde, dass eine zum Regelsteuersatz zu besteuernde sonstige Leistung anzunehmen ist, sobald die Speisen zum Verzehr „vor Ort“ aufgrund der bestehenden Vorrichtungen im Sitzen eingenommen werden können. Die Möglichkeit zum Sitzen ist hier das maßgebliche Entscheidungskriterium. Es kommt letztendlich zur Anwendung des Regelsteuersatzes.

Fehlt es beispielsweise an Sitzgelegenheiten, sodass der Kunde die Speisen zwar vor Ort aber ausschließlich im Stehen verzehren kann, dann ist von einer begünstigten Speisenlieferung auszugehen. Folglich kann ein Sofort- Verzehr „an Ort und Stelle“ mittlerweile auch begünstigt mit sieben Prozent besteuert werden. Das Servieren der Speisen über die Ladentheke sowie die Nutzungsüberlassung von Besteck und Geschirr soll­­te nicht zwingend einen überwiegenden Dienstleistungscharakter begründen. Grundsätzlich sollte in derartigen Grenzfällen der Steuerberater konsultiert werden.

Der Verkäufer weiß doch gar nicht, wo der Kunde verzehren wird?

Die Zweckabrede zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist maßgebend. Jeder kennt die berühmte Frage der großen Fastfood-Anbieter: „Zum Hieressen oder zum Mitnehmen?“. Unternehmer bzw. Gastronomen, die infolge Ihrer individuellen und örtlichen Gegebenheiten zwischen den Steuersätzen unterscheiden müssen, sollten ihren Kunden diese Frage konsequent und grundsätzlich stellen. Entscheidet sich der Kunde beim Kauf, also bei Vertragsschluss dazu, seine Speisen mitzunehmen und Außer-Haus zu verzehren, dann wird die Lieferung mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent versteuert. Dies ändert sich auch nicht, wenn sich der Kunde danach entscheidet, sein Gericht doch im Lokal, Geschäft oder Store zu essen. Schriftliche Dokumentationspflichten für den Unternehmer bestehen (derzeit noch) nicht.

Kann nicht gerade in der Fast-Food Systemgastronomie allgemein ein  Außer-Haus-Verzehr angenommen werden?

Das ist riskant und keinesfalls ratsam. Denn dann würde die Kasse keine Aufzeichnung von Vor-Ort-Verzehrerlösen ausweisen. Die Kassenführung ist im Rahmen einer Betriebsprüfung immer ein sensibles Thema. Wenn der Betriebsprüfer bei einer Betriebsbesichtigung die für den Vor-Ort-Verzehr vorgesehenen Vorrichtungen bemerkt und sogar Kunden dort sitzen sieht, hat er genügend Anhaltspunkte erlangt, um gegebenenfalls eine fehlerhafte Kassenführung nachzuweisen. In letzter Konsequenz ergeben sich für den Prüfer Möglichkeiten einer Hinzuschätzung. Zudem besteht das Risiko, dass ein böswilliger Prüfer ein Bußgeldverfahren infolge Steuerverkürzungen durch unrichtige Angaben einleitet.

Ist jetzt für jede Speise ein zweiter Preis erforderlich?

Nein, zumal der Gastronom bzw. Unternehmer es in der Praxis wohl kaum durchsetzen kann, dass seine Kunden unterschiedliche Preise für ein und dasselbe Gericht bezahlen, nur weil einer sein Gericht sofort essen möchte und andere ihr Gericht mitnehmen. Es ist daher sinnvoll, den Brutto-Verkaufspreis über den Regelsteuersatz von 19 Prozent zu kalkulieren. Damit geht der Unternehmer zumindest dem ökonomischen Risiko des Margenverlusts aus dem Weg.

Einfacher sind Getränke

Getränke werden generell mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent besteuert – ausgenommen Leitungswasser, Milch und bestimmte Milchmischgetränke. Unterschiede zwischen Außer-Haus- und Vor-Ort-Verzehr ergeben sich somit üblicherweise nicht. Der Vor-Ort-Verzehr von diesen Ausnahmegetränken sollte wie bei der Abgabe von Speisen beurteilt werden, und zwar nach den Gegebenheiten vor Ort dahingehend, ob der Dienstleistungscharakter überwiegt oder nicht.

Steuerlich kompliziert sind die zahlreichen Aktionen

Aktionsangebote aus Getränk und Speise werden stets dann zur Herausforderung, wenn es sich um Außer-Haus-Verkäufe handelt. Denn auch hier stellt die Abgabe von Getränken eine neben der Abgabe der Speise stehende selbständige Hauptleistung dar. Die Folge: beide Steuersätze kommen zur Anwendung. Weil lediglich der Preis dieses Angebots geringer ist als die Summe der Einzelkomponenten, ist das Gesamtentgelt entsprechend dem Verhältnis der jeweiligen Marktwerte der einzelnen Komponenten aufzuteilen. Es ergibt sich also sowohl für das Getränk als auch für die Speise eine um den Rabatt verminderte Bemessungsgrundlage, auf die der jeweilige Steuersatz anzuwenden ist.

Die sich ergebende Herausforderung für die Kassen- und Buchführung liegt insbesondere darin, dass der Unternehmer für jede Aktion stets einen eigenen Aktionsartikel anlegen sollte, in den einerseits eine mit 19 Prozent zu besteuernde Komponente und eine mit sieben Prozent zu besteuernde Komponente einfließt und deswegen auch andererseits der rabattierte Verkaufspreis für jede Einzelkomponente angegeben werden muss.

Was passiert, wenn die Speise möglichst teuer, das Getränk möglichst günstig kalkuliert wird, um den Gewinn zu erhöhen? Diese Vorgehensweise wird durch die Finanzverwaltung nicht akzeptiert. Auch das FG Schleswig-Holstein hat sich in seinem Beschluss vom 4. Oktober 2012 bereits für die Aufteilung anhand des Verhältnisses der Marktwerte der Einzelkomponenten ausgesprochen.

Wie ist es mit dem Eigenverbrauch?

Für den Eigenverbrauch gilt grundsätzlich das gleiche wie bei den Kunden. Das heißt, es ist auf die Zweckabrede zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen, nämlich wo der Unternehmer die entnommenen Waren verzehren möchte. Eine Prüfung oder Widerlegung durch die Finanzverwaltung wird an dieser Stelle ebenfalls sehr schwer möglich sein. Daher wird die Finanzverwaltung vermutlich stärker auf die durch das Bundesministerium bekannt gemachten Pauschbeträge für Sachentnahmen abstellen wollen, insbesondere, wenn die durch Aufzeichnungen nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Eigenverbräuche darunterliegen. Auch hier sollten also realistische Zahlen angegeben werden.

FORSYSTEMS: Herr Förster, Sie sind als Steuerberater in der ETL Gruppe verankert, die sich mit der ETL Franchise GmbH auf die Betreuung von Franchisesystemen spezialisiert hat. Welche Vorteile ergeben sich daraus für Franchisenehmer?
Förster: Der Vorteil liegt zunächst auf der betriebswirtschaftlichen Seite. Aus langjähriger Erfahrung im Systemgeschäft kennen wir dessen wirtschaftliche Strukturen und die Bedürfnisse der Partner sehr genau. Über die ETL Franchise bieten wir individualisierte Branchenlösungen an, um die Schwachstellen im Betrieb zielgenauer zu identifizieren. Dadurch können wir Potenziale erkennen und mit dem Partner erörtern, wo er den Hebel ansetzen muss. Das Instrumentarium reicht dabei von Planungsinstrumenten, über Soll/Ist-Vergleiche bis hin zum Benchmarking im Franchise-System bzw. in der jeweiligen Branche. Jedoch helfen wir auch Gründern und Franchiseinteressierten schon in Ihrer Startphase. Hier kann das Themenspektrum von der Gründungsberatung bis zur Finanzierung gehen.  
 
FORSYSTEMS: Aus Ihrer Erfahrung – sind Franchisenehmer als Systemgastronomen in der Regel besser informiert als andere? Sorgen die Franchisegeber für gute und ausreichende Informationen zum Thema Mehrwertsteuersätze?
Förster: Das kann man nicht so einfach verallgemeinern. Für gewöhnlich sind die einzelnen Franchisesysteme aber gut strukturiert und organisiert, um nicht zuletzt auch ihren Verpflichtungen aus dem Lizenzvertrag nachzukommen. Informationspolitik spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Systemzentrale kann die Partner fachlich und informationspolitisch unterstützen, um ihnen entsprechende Informationsvorteile gegenüber nicht systemisch organisierten Unternehmern zu verschaffen.

FORSYSTEMS: Haben Sie als Steuerberater oft direkt Kontakt mit den Zentralen, wenn es z. B. um die Einstufung bestimmter Rabattaktionen geht?
Förster: Große Rabattaktionen werden üblicherweise in den Franchisezentralen geplant und geprüft, bevor sie an die Partner gehen, da sie oftmals bundesweit einheitlich sein müssen. Direkte Kontakte zu den Zentralen kommen oft zustande, wenn die jeweiligen Lizenzpartner aus den unterjährigen Beratungsgesprächen regional Potenziale erkennen, die umgesetzt werden sollen. Hier ist zu empfehlen, sich stets mit den Zentralen auszutauschen, um abzuklären ob derartige Aktionen in das Konzept des Lizenzgebers passen und umgesetzt werden können. Während die Idee oft vom Partner kommt, werden wir z.T. in die Umsetzung mit einbezogen.